Das Glaubensbekenntnis (Kelime-i Şahadet)

„Es gibt keinen anderen Gott (Schöpfer) außer Allah (Hak), Mohammed ist sein Prophet und Ali sein Freund (Gefährte) und sein Nachfolger nach seinem letzten Willen. „Lailahe illallah, Muhammeden Resulullah, Aliyyül Veliyullah, Vasiyi Resulullah“ Die Kurzformel hiezu lautet: „Ya Allah, Ya Mohammed, Ya Ali.“ In diesem Sinne glauben die Aleviten an eine geistige Gleichartigkeit zwischen Gott, Mohammed und Ali sowie daran, dass Mohammed und Ali zum Lichte Gottes angehören, das die Welt seit ihrer Schöpfung erhellt.


Der Glaube an die heilige Kraft (Nur-i Kadim/Zat-ı Mutlak)

Die Aleviten glauben an eine „heilige Kraft“ des Schöpfers, die vor allem durch Mohammed und Ali, sowie dessen Nachkommen (Seyyidler) bis heute an die Menschen weitergegeben wird. Die „heilige Kraft“ beinhaltet als Gabe Gottes den Verstand, der es ermöglicht, dass die Menschen Gott und seinen Willen erkennen können. Der Verstand hat zur Konsequenz, dass jeder Mensch für die Führung seines Lebens verantwortlich ist. Der Mensch kann somit sein Scheitern nicht auf Gottes Willen zurückführen. Daher glauben auch Aleviten daran, dass das Leid durch menschliches Versagen bzw. das kollektive Fehlverhalten der Menschen entsteht. Der Glaube an die „heilige Kraft“ fordert deshalb ein aktives Bemühen um persönliche Vervollkommnung und den Dienst in der Gemeinschaft.


Der Glaube an den Weg zur Vervollkommnung des Menschen (İnsan-ı Kamil Olmak)

Die Aleviten schöpfen immer wieder Zuversicht aus dem Glauben daran, dass sie die heilige Kraft in sich haben und dass Gott ihnen die Kraft und den inneren Frieden schenkt, sich auf diesen Weg der Wahrheit zu begeben. Dieser Glaube ist die Quelle der Hoffnung auf Vervollkommnung. Daher glauben Aleviten daran, dass am Ende dieses Prozesses der einzelne Mensch, wenn er seine heilige Kraft wieder entdeckt hat, sich mit Gott wiedervereinigen (Hakla Hak Olmak) kann. Um dieses Ziel, also die Annäherung an Gott, zu erreichen, glauben die Aleviten, dass sie nicht nur ein Leben auf dieser Erde haben, sondern dass Gott ihnen viele Leben gibt. Der Vervollkommnungsprozess ist für die Aleviten eine Folge der Fürsorge Gottes für die Menschen: Gott gibt dem freien Menschen die Möglichkeit, sich ihm durch viele Leben hindurch immer mehr anzunähern. Demnach spricht man im Alevitentum von der Freiheit des Menschen vor Gott und von einem Verhältnis des Menschen zu Gott, das nicht von der bedingungslosen Unterordnung bestimmt wird.


Der Glaube an die Unsterblichkeit der Seele (Canın Ölümsüzlüğü)

Die Aleviten glauben an die Wiedergeburt bzw. Wanderung der Menschenseele. Die  von „Ego, Angst und Besitzgeist gereinigte“ Seele kommt von Gott und kehrt heim zu ihm, um nach angemessener Zeit in einen neuen Körper überzugehen. Der Tod betrifft somit nur den Körper, denn alle Seelen ruhen bei Gott, bis sie erneut Gestalt annehmen und auf die Welt zurückkehren. Daher wird der Tod im Alevitentum als „zu Gott gehen (Hakka yürümek)“ bezeichnet. Die Wiedergeburt der Seele in einem neuen Körper wird als „das Gewand wechseln (Don değiştirmek)“ benannt. Das heißt: „Die Menschenseele erhält durch die Zeugung eines neuen Kindes erneut den Zutritt auf die Welt.“ Aus dieser Perspektive heraus, betrachtet man das Sterben als einen Übergang in eine neue Lebensphase. Dieser Kreislauf (Devriye) dauert solange, bis die Seele die Vervollkommnung erreicht.